Archiv der Kategorie: Gedicht

Profitipp für Passivhausbesitzer

Wird’s Dir kalt im Passivhaus,
lass erstmal den Ofen aus:
schau am Schalter an der Wand,
ob vielleicht durch Kinderhand
euer Lüftungsapparat
plötzlich neue Order hat!
Hat das Kind daran gedreht
bis das Ding auf „Sommer“ steht,
geht die Abluft aus dem Haus
ohne Wärmetausch heraus,
und die Zuluft mit null Grad
Fröstelfrust zur Folge hat…

Merke:
Kinderlachen wärmt Gefühl,
Kinderspiel macht Häuser kühl.

911 und 110

911 und 110 sind nicht nur die Notrufnummern in den USA und in Deutschland, sondern auch das Datum, an dem die Zwillingstürme des Welthandelszentrums eingestürzt sind, und deren Geschosshöhe.
John M. Ford hat ein Gedicht geschrieben, 110 Zitate auf 110 Zeilen, das mir immer noch jedes Mal die Tränen in die Augen treibt, wenn ich es lese:

110 Stories

John M. Ford: 110 Stories

Serenity auf Shakespeare-isch

Man kann offenbar nicht nur Pulp Fiction altertümeln, sondern auch „FireflySerenity“:

Capt: A dozen years have pass’d since this took place,
And all that time hath Parliament kept hid
The secret of this world, till River here
Unearth’d it from their minds.  They feared she knew.

Ah, und das gute alte „I aim to misbehave“ muss man nicht mal ändern:

They’ll swing back like the needle to the north
To the belief that they can better men.
And I hold not to that.  Here from this grave
I will not run. I aim to misbehave.

Ich muss mal wieder Firefly gucken…

Kirschblüten

Kirschblüten wie Schnee,
das ist so ein Klischee!
Aber ich bin davor nicht gefeit:
Halb schon wach, halb im Traum
sah ich morgens den Baum
und dacht wirklich, es hätt nachts geschneit…

Firmenteeküchenfundstücke

Ging heute über den Firmenverteiler:

War ne kleine Tiefkühlbox,
wurde wohl vergessen.
War ne kleine Tiefkühlbox,
wollte keiner essen!
Wurde schimmelig und grau,
fing an zu verwesen,
wer das äß, dem würde flau:
wär nicht gut gewesen!

Diese kleine Tiefkühlbox
steht jetzt ganz alleine
hier auf meinem Schreibtisch rum —
hol sie, sonst wird’s meine!

Wie heißt diese Gedichtform?

Dichten im Walzertakt
wiegend, nicht abgehackt,
das ist schon sehr verzwackt,
wenn man’s probiert.

Schwierig ist das Format,
doch freut das Resultat,
wenn man’s begonnen hat
und reüssiert.

.
.

Ich habe immer den Begriff „Villanelle“ im Kopf, aber das ist doch was viel Komplexeres, mit Verswiederholungen, die sich durch das gesamte Gedicht ziehen.

Der Sumpfwels

OK, Janice hat mir dieses doofe Stöckchen zugeworfen und trägt Schuld daran, dass ich heute nacht um fünf, nachdem Junior endlich wieder im Bett war, nicht wieder einschlafen konnte.
Sumpfwelse?
Wieso Sumpfwelse, die Viecher gibt es weder bei Google noch in der Wikipedia!
Ist das die neue Hommingberger Gepardenforelle? Muss ich mir jetzt http://www.sumpfwels.de sichern?
Fragen über Fragen.
Egal, hier ist ein kleiner Reim-Dich-oder-ich-fress-Dich-Limerick über den armen Sumpfwels in seinem dunklen Sumpfe:

Im Moorwasser machte den Sumpfwels
die schwierige Ortung zum Stumpf-Wels.
Seine inneren Karten
warn Kopfschmerz-Arten:
pikst der Schädel, war’s Holz; wenn er brummt, Fels.

So. Und jetzt werfe ich das Stöckchen einfach weiter an Jutta und erbitte mir aus gegebenem Anlass ein Gedicht zum Thema „Ölwechsel“, wahlweise gerne auch „Oil Change“.

Teekesselchen

Das heißt: bin davon angetan,
den hab ich also gern getan,
hab, als ich’s tat, mir nichts getan,
bin aber tot.

Wer mitraten will: der MD5Hash der Lösung lautet fcc95d9e6b6a682eab41221e697e1ff3 oder ad8ed3e4ea964835622f44496aade255, man kann ihn z.B. bei Waraxe erzeugen lassen.

Nochmal Herbst

Auf dem Weg von Nienberge nach Münster
wird im Winter es furchtbar früh finster.
Durch den Gegenverkehr
sah den Weg ich nicht mehr
und flog mitsamt Rad in den Ginster.

(Naja, fast.)

Herbstsonett

Mit ein paar Details bin ich noch unzufrieden, aber egal — hier kommt der Herbst:

Vor meinem Fenster fliehen schon die Stare.
Der Deckendruck treibt mich hinaus zum Teich.
Dort raufen rauschend Weiden ihre Haare,
und mich umstöbern Blätter, Schuppen gleich.

Die Entenstaffel startet in Kolonne,
dreht quakend eine Runde und fliegt fort.
In Afrika brennt sicher grad die Sonne,
kein Blättermoder und kein Nebel dort…

Die Vögel, die im Süden Wärme tanken,
beneidend, steh ich eine Weile hier.
Der ferne Stadtlärm weckt mich aus Gedanken,
erinnert an den Unterschied zum Tier,
an Rechnungen, Versicherungen, Banken —
und seufzend sitz ich wieder vor’m Papier.

Reim-Reparaturen

Heute morgen ging mir stundenlang ein Gedicht durch den Kopf. Keine Ahnung, wie das Buch hieß, aus dem ich es hatte; es hatte mich nicht so beeindruckt — abgesehen von diesem Gedicht, das ich sofort auswendig lernen musste. Aus dem Gedächtnis zitiert und ohne jede Garantie auf Korrektheit:

Weiße Raben kreisen leise

über dem Kaninchengrab,

schürfen winterklare Kreise

in den wiesenfellbewachsnen,

blütenstauberwacherwachsnen,

bienenstockgelbflugdurchwachsnen

grünsten Himmel, den’s je gab

Tolle Bilder, nicht? OK, Albinoraben sind vielleicht etwas affektiert, schwarze lenkten nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich, aber allein schon das leise Kreisen über dem Kaninchengrab… Und die winterklare(n) Kreise rufen gleich eine Art kühles, scharfes Licht hervor, in dem diese Vögel lautlos ihre Runden drehen. Hach…

Dummerweise kommen dann noch ein paar bemüht-poetische Zeilen hinterhergedackelt, die wiesenfellbewachsnen / blütenstauberwacherwachsnen /bienenstockgelbflugdurchwachsnen /grünsten, und das tötet die Atmosphäre schneller, als man „Pikachu!“ sagen kann. Warum lässt der Autor das nicht einfach weg? Warum diese absurde Adjektiv-Orgie?

Antwort: Hebungen. Wir haben die Zeilen Weiße Raben kreisen leise / über dem Kaninchengrab, / schürfen winterklare Kreise — und jetzt brauchen wir sowas wie „in den […] Himmel […] <Reim auf -ab>“. Nur halt mit was Richtigem statt <Reim auf -ab>. Obwohl:

Weiße Raben kreisen leise

über dem Kaninchengrab,

schürfen winterklare Kreise

in den Himmel, Reim auf „-ab“

— das hat auch was. Nicht? Echt nicht? Na gut, vielleicht nicht. Aber was für einen Reim soll man denn dann stattdessen nehmen? Der Original-Autor hat den Reim „gab“ gewählt, also den Himmel definiert als „den so-und-so-artigsten Himmel, den’s je gab“. Das ist grundsätzlich ja nicht schlecht, man könnte ja den Winterhimmel einfach mal zum blausten Himmel, den’s je gab, erklären. Dummerweise hätte aber

schürfen winterklare Kreise

in den blausten Himmel, den’s je gab

zwei Silben zuviel in der letzten Zeile, und in den Himmel, den’s je gab ist leider grammatikalisch und inhaltlich Quatsch, obwohl es von den Hebungen her gerade so schön passt. Ärgerlich, das. Was tun? Das in den und den wie-auch-immer-gearteten Himmel zu trennen mit Adjektiv-Zeilen, die wirken, als hätte jemand im LSD-Rausch zuviel Teletubbies gekuckt, das kann ja auch keine Lösung sein!

Grrrr.

Weiße Raben kreisen leise

über dem Kaninchengrab,

schürfen winterklare Kreise —

stürzen plötzlich kreischend ab.

Hätte was.
Nee, lieber doch was Stilleres.

Man merkt: da muss ich mal eine Nacht drüber schlafen.

Ohrwurm: „La-Le-Lu (nur der Mann im Mond schaut zu…)“